9/12/2015

[writerslife] "Bisherige literarische Aktivitäten" - Oh wie schön sind Schreibwettbewerbe

Ich bin kein reger Teilnehmer an Schreibwettbewerben. Das ist jetzt das offizielle Bekenntnis des Tages. Man darf es rahmen und diskutieren, wenn man das Bedürfnis dazu hat. Ich bin wirklich alles andere als, ob man es sich vorstellen kann oder nicht, der Typ von Mensch, der gern mit seinen geschriebenen Sachen an die Öffentlichkeit geht und sich dann in seiner Altersklasse beurteilen und platzieren lässt. So etwas macht mich nervös und ich glaube, ich bin nicht die einzige Person, der es da so geht.

Doch wie das halt so ist, wenn man jung ist: Was wäre das Leben ohne Spontanität? Man erinnere sich an einen meiner letzten Posts mit dem poetischen Titel "[Artikel] Michael Buchinger - mein August-Lebensretter ODER: ich hasse Spontanität" und ich schwöre, dass ich da nicht gelogen habe. Aber manchmal überkommt es auch mich einfach. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würden zwei kleine Männchen in meinem Kopf wohnen, von denen das eine permanent positiv durch die Gegend hüpft und "Das Leben ist schöööööööön!" schreit und spontane Sachen machen will und das andere versucht, es mit Isolierband an einen Stuhl zu fesseln und hälftig sarkastische, hälftig tiefgründige Dinge von sich gibt. 

Letztens hat das Euphoriebündel von den beiden wieder Ausgang bekommen, weil sie beide entschieden haben, dass es mal wieder Zeit für eine Wendung wird: Ich habe im Sommer/Herbst bisher an zwei Schreibwettbewerben teilgenommen [und stalke seitdem unseren Briefkasten und mein E-Mail-Postfach, weil ich auf die Bekanntgabe der Ausgangs warte]. Beim ersten wurde zusätzlich zum Text einfach nur ein Formular ausgefüllt, in dem ich einfach nur einen Strich bei bisher erfolgreichen Wettbewerben machen musste. Das zieht vielleicht ein bisschen in der Brust, weil man sich denkt "Oh man, ich bin sicher, für andere reicht die eine Zeile nicht mal, die man da zum Angeben der Wettbewerbe hat.", aber alles noch im machbaren Rahmen. 

Beim zweiten Schreibwettbewerb gab es allerdings kein Formular, sondern man musste selbst eine kurze Zusammenstellung von Lebensdaten und "bisherigen literarischen Aktivitäten" verfassen. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, weil ich zu spät von dem Wettbewerb erfahren hatte, und deshalb musste die Bewerbung relativ zügig raus. Da saß ich also vier Tage vor dem Einsendeschluss spät Abends vor meinem Laptop und starrte weltmeisterlich ein leeres Computerdokument an. Es ist wirklich viel leichter einfach nur einen Strich zu machen, als es selbst zu formulieren. Wirklich. 

Ich hatte bisher noch keine literarischen Aktivitäten.

Hätte ich schreiben können, hätte mir ein schlechtes Gefühl gegeben. Also mache ich, was ich immer mache, wenn ich Löcher durch Wände starre und verzweifle: Ich stelle mir eine lustigere Version des Moments vor und versuche einen Weg zu finden, dort hinzukommen. Und ich schicke meiner besten Freundin eine Sprachnachricht. Was auch sonst. 
Also nehme ich mein Handy, drücke bei WhatsApp auf dieses kleine, altmodische Mikrophon und sage ihr, dass ich an dem Wettbewerb teilnehmen will und gerade wirklich an dem "bisherige literarische Aktivitäten"-Punk verzweifle. Und die Stimme der kleinen sarkastischen Person in meinem Kopf sagt: "Was soll ich denn da bitte angeben? Ich schreibe seit Jahren erfolgreich Einkaufslisten und Seiten in Schulheftern? Und ab und an einen netten Aufsatz?" Was ich zurück bekomme sind exakt 62 Lach-Wein-Emojis (Ja, ich hab nachgezählt) und dann "Bitte schreib das, exakt so, weil Humor für die Welt #HumorfürdieWelt", also komme ich wirklich ins Grübeln. Die Stimmung geht langsam von "So was wäre lustig, aber ich würde das nie machen" in "So was wäre lustig..." über. Es folgt noch eine Sprachnachricht von Seiten meiner Freundin, in der ihr Stiefvater mir vorschlägt, ich solle doch schreiben, dass ich ein grönländischer Flüchtling bin und Analphabetin und aus lauter Verzweiflung Essays schreibe. 

Ihr dürft drei Mal raten, was ich also gegen 23 Uhr am Donnerstag Abend nach einem sehr langen, sehr leeren Dokument gemacht habe. Richtig. Alles, aber kein "Ich hatte bisher noch keine literarischen Aktivitäten." - es folgte also eine Aufzählung meiner "literarischen" Aktivitäten und eine kurze Erklärung darunter. Eingestiegen mit einem Teil, in dem ich erkläre, dass mir von mehreren wahlberechtigten Personen geraten wurde zu schreiben, ich sei ein Flüchtling aus Grönland und Analphabetin und aufgrund dessen Verfasserin von Verzweiflungs-Essays. Und Einkaufslisten. Ich spare euch den ganzen Text und lasse euch einen einzelnen Satz da, der eigentlich auf den Punkt bringt, was ich mit dieser Aktion ausdrücken und auch euch sagen will: 

"[Nun] Ich sitze [ich] also seit ungefähr einer Stunde hier und zerbreche mir den Kopf darüber, wie ich ausdrücken soll, dass mein ganzes Leben eine literarische Aktivität ist, ohne eine bemerkenswerte dokumentierte literarische Aktivität zu enthalten."

Nur, weil man Dinge nicht dokumentieren kann, heißt es nicht, sie sind unwichtig. Nur weil wir uns keine Medaillen in den Schrank stellen, heißt es nicht, wir sind keine Gewinner unserer eigenen Erfahrungen. Beim Schreiben, bei Leidenschaft allgemein, geht es darum, ehrlich zu sein, vor allem zu sich selbst. Und ich bin ehrlich zu mir, wenn ich sage, dass ich für das, was ich Schreibe, wirklich lebe. Ob ich es nun bisher schon in Wettbewerben geteilt habe oder nicht. 

Ich weiß nicht, was euch Löcher in Wände starren lässt. Ich habe wirklich keine Ahnung. Aber von Zeit zu Zeit ist es doch ganz gut sich daran zu erinnern, dass man nicht allein damit ist. Und das jeder Mal als leeres Blatt angefangen hat und keiner mit einer ausgefeilten, toll aussehenden Biografie geboren wird - sondern sie selbst schafft.

Also: Kopf hoch, wenn ihr einen schlechten Tag hattet und euch das Gefühl, ihr seid nicht so toll und erfolgreich, wie andere, die Luft zum Atmen raubt. Sowohl der Pessimist als auch der Optimist in mir sind sich einig, dass Leben eine Entwicklung und kein Produkt ist. Und wenn ihr euch selbst treu bleibt und die Dinge versucht nicht so ernst zu nehmen, dann kommt ihr auch vorwärts.



Alles Liebe,
eure grönländische Analphabetin und Essay-Verzweiflungstäterin Antonia



P.S.: Ich habe weiterhin geschrieben, dass die einzig wichtige literarische Aktivität für mich ist, dass ich von Zeit zu Zeit Leute zum Schmunzeln bringe, mit dem, was ich da so praktiziere.
Ich bekam einige Tage später eine E-Mail von der Frau, die die Einsendungen des Wettbewerbes verwaltet, und sie schrieb mir, dass sie diese Lebensdaten sehr erfrischend fand und sicher noch eine Weile schmunzeln muss. Ich musste auch sehr schmunzeln. Situation gerettet, würde ich sagen.



letzter Post: [Artikel] Zugfahrt mit ohne Hindernissen (Flüchtling-Sein und Nicht-Flüchtling sein auf den Punkt gebracht)

letztes [writerslife] [writerslife] Ich bin nicht verrückt, was ich google macht Sinn.

3 Kommentare:

  1. Das war der erste Post, den ich je auf diesem Blog gelesen habe und auch der Grund, warum ich hier geblieben bin und mit dem Bagger angerückt... Mein Kommentar dazu kriegst du ja jetzt heute.
    Eigentlich habe ich ja gedacht, ich grabe noch eine Stunde, aber wie es scheint, überspringe ich ein paar mehr Posts und komme doch mal mit einer Schaufel wieder.
    Ich habe letztens von einem Schreibwettbewerb erfahren und würde liebend gerne teilnehmen...aber natürlich spukt mein Kopf keine Ideen aus, wenn ich sie brauche. Naja, ich habe noch genügend Zeit.
    Mich hätte der vollständige Text sehr interessiert. Gab es eigentlich bei einem der Schreibwettbewerbe schon eine Bekanntgabe?
    Der Kommentar wurde auch mal wieder sehr kurz...Was natürlich in Verbindung zu dem Ich-überspringe-Posts so aussieht, als würde meine Lust verschwinden, aber eigentlich schwitze ich mich nur zu Tode (und das im Winter) und habe keine Lust, die Decke wegzulagen. (An Samstagen bin ich immer sehr faul. Und mit sehr faul meine ich, dass jede Bewegung außer Seiten-umblättern oder Tippen zu viel ist.)

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    1. Huhu :)

      Das ist ja mal interessant zu erfahren, was du tatsächlich als erstes von mir gelesen hast (und vor allem, dass du nach dem Teil mit der grönländischen Analphabetin nicht schleunigst wieder Reißaus genommen hast :D)

      Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen, dass es was wird mit der Idee. Und dem Schreiben. Und der Jury. Und auch allem sonst. Ich drücke einfach.
      Anfang nächste Woche sollte die Bekanntgabe der Gewinner des zweiten Schreibwettbewerbes dann erfolgen (also dem, zu dem ich mich als grönländische Analphabetin vorgestellt habe) und wie du dir sicher vorstellen kannst, sitze ich schon wie auf heißen Kohlen. Mit dem ersten hat es leider nicht geklappt, der war aber auch sehr groß und ich hatte mir (wenn man bedenkt, dass ich als Schriftgröße 19,5 gewählt habe - wieso, das ist eine andere Geschichte, auf die ich vielleicht bei Gelegenheit mal zurückkommen werde...) auch keine sonderlich großen Chancen zugerechnet. Aber mal sehen, vielleicht wird es ja beim zweiten was.

      Ich wühle mich jetzt erst mal weiter durch deine Kommentare und wünsche dir an dieser Stelle erst mal einen schönen Sonntag (, der hoffentlich weniger Schwitz-intensiv ist, aber das mit der Decke und der Faulheit kenne ich nur zu gut xDDD)

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  2. Wenn Sie wenig Zeit haben, ist hausarbeit schreiben lassen eine Option. Dadurch wird sichergestellt, dass Sie eine gut recherchierte und professionell geschriebene Arbeit erhalten, die akademischen Standards entspricht, sodass Sie sich auf andere wichtige Bereiche Ihres Studiums konzentrieren können.

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Danke, dass ihr durch eure Kommentare aktiv zum Training von Antonias Sprunggelenken beitragt. Sollte sie nach eurem Kommentar länger nichts posten, liegt es nahe, dass sie sich beim Rückwärts-Flick-Flack nach dem Entdecken einen Wirbel ausgerenkt hat.

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