So meine Lieben. Meine Besten. Meine großartigen Verfolger und kleinen Teilzeit-Philosophen. Ich habe ein Nickerchen gemacht, bin erwacht und war erleuchtet: die Welt braucht einen weiteren Gedankenschnipsel-Eintrag auf meinem Blog. Und mehr Wasser, tolerantere Menschen, SCHOKOLADE, Zeitreisemaschinen, freundlicheres Personal bei Douglas, kostenlose bunte Klebezettel für Schüler und Hundewelpen. (Die Aufzählung begann so hoffnungsvoll, jaja, ich weiß.)
An den meisten schlechten Dingen dieser Welt kann man nichts ändern. Oder nur sehr wenig. Das ist schade. An anderen schlechten Dingen kann man etwas ändern. Das ist schön. Wie zum Beispiel. An. Langweiligen. Satzstrukturen. 0derr shclechhter 3m0-sCHREIBweissssse auß denn beqinnenten 2OOOndrenen. (*Oder schlechter Emo-Schreibweise aus den beginnenden 2000ern - Siehste? Siehste.) Wir können zu kurz geschnittene Haare wieder wachsen lassen und Petitionen für ein Remake der Percy Jackson-Filme unterschreiben. Wir können an Tierheime spenden und alten Menschen über Straßen helfen (in der Hoffnung, dass sie da auch hin wollten). Wir können die letzte halbe Stunde des 5. Harry Potter-Films einfach überspielen und allen erzählen, dass wir überhaupt nicht wissen, wann in diesem Film irgendjemand irgendwie gestorben sein soll. Und wir könnten aufhören Asylanten-Heime anzuzünden und Homosexualität als Krankheit zu bezeichnen. Jaja, verrückte Karotte, was man nicht alles so machen kann. Verrückt, verrückt, verrückt.
Der Grund, warum dieser Gedankenschnipsel existiert, ist, dass wir in einer verrückten Zeit mit verrückten Gegensätzen leben. Ich habe das Gefühl, dass wir viel zu oft viel zu weit weggerückten Jahrzehnten hinterher hängen und uns über deren historische Bedeutung Nostalgie-Tränen ins selbstgehäkelte Taschentuch tupfen. Was an sich ja auch überhaupt kein Problem ist (#Geschichtsklassenstreber #WissenmachtSpaß #Jahreszahlensindnichtlangweilig), wenn wir darüber hinaus auch mal Tränen über unsere eigene Zeit ins selbstgeweinte Taschentuch häkeln (oder anders herum). Freudentränen, Nichtsosehrfreudentränen. Irgendwelche Tränen. Hopp, hopp, seid emotional! In welche Richtung auch immer.
Wir leben in einer wahnsinnig tollen, wahnsinnig verrückten Zeit ("wahnsinnig verrückten" - für diese Konstellation darf applaudiert werden, ich bin sicher das war irgendein total abgespacedes rhetorisches Mittel für die Super-Pros unter den Schreiberlingen - wie mich, obviously). Und wir vergessen das. Jedenfalls habe ich manchmal das Gefühl, dass wir es vergessen.
Wir leben in einer Zeit, in der es zur Routine gehört, Weltraumflüge zu machen und mehr Wissen, als wir jemals begreifen könnten, nur einen Mausklick entfernt zu haben. Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in der ein geteiltes Deutschland, Weltkriege und Kalte-Kriege nur noch Geschichte sind. Meine Kindheit bestand aus Kindheit und nicht aus irgendeiner Überspringung dessen. Das Internet war für mich immer da, ich habe noch nie Panzer gesehen und die Diktaturen, mit denen ich aufgewachsen bin, hat Harry Potter mit seinen Freunden zerschlagen.
Und trotzdem oder gerade weil dem zünden Leute Asylanten-Heime an und missbrauchen Sprüche, die einst für die deutsche Einheit gestanden haben, wir irgendwelche rechten Aufmärsche. Ich bin angewidert, wie Menschen eine Zeit, die so voll von Wundern ist, mit Angst und Hass und irgendeiner Kombination und Reihenfolge aus beidem verschandeln. Angst vor Ausländern, Angst vor Homosexuellen. Hass gegenüber Ausländern, Hass gegenüber Homosexuellen.
Proteste und Backsteine sollten nichts werden, was unser Land mehr ausmacht, als Fortschritt und Akzeptanz. Es macht mich wütend, dass Leute, die gemeinsam mit mir in dieser Zeit und in diesem Land leben, so engstirnig Menschen angreifen und verurteilen, die in ihren Heimat-Teilen dieser Welt geächtet und gejagt werden. Es wird immer Kriege geben, aber was gibt euch das Recht aus purer Angst und Dummheit hier wieder welche zu schaffen? Gegen Menschen, die dem letzten gerade entkommen sind?
Ich weiß, dass Ausländerfeindlichkeit schon fast eine alte Kamelle ist. Und ich habe es auch satt, mich immer wieder mit alten Kamellen auseinandersetzen zu müssen, weil Leute, die offensichtlich noch nicht genug gehasst und gepöbelt haben, sie immer wieder aufwärmen. Ich habe mich bisher darauf beschränkt, mich im realen Leben dagegen auszusprechen und Facebook-Posts gegen Ausländerfeindlichkeit zu teilen. Es war mir doch heute mal ein Bedürfnis, weil ich gestern erst den wahrscheinlich schönsten, mut-machendsten Post dazu gelesen habe, den ich euch gern noch dalassen wollte:
Ich bin heute morgen aufgestanden, habe Wasser aus der Leitung in ein Glas laufen lassen und es getrunken. Einfach so.
Dann habe ich mir ein Brötchen geholt. Während ich das tat, ist neben mir kein Haus explodiert.
Auf dem Weg zurück wurde ich weder für meine Hautfarbe oder meine Sexualität bedrängt oder ermordet. Ich sitze in einer Wohnung, die selbst bei Regen trocken bleiben würde und besitze einen Computer inklusive Internet-Zugang, mit dem ich Zugriff auf nahezu das gesamte Wissen der Menschheit habe, während ich mein Brötchen esse. Und eventuell hole ich mir gleich noch ein Glas Wasser. Ob ich es trinke oder einfach stehen lasse ... mal sehen. Kommt nicht drauf an.
Um in dieser Situation zu sein, musste ich nicht die Menschen zurück lassen, die ich liebe. Und ich musste auch nicht mein Leben dafür aufs Spiel setzen oder mich einer erniedrigenden Prozedur unterziehen lassen. Das war einfach so.
Wenn ihr in einer ähnlichen Situation seid wie ich, gehört ihr zu den reichsten Menschen der Welt. Und es tut gut, sich dieses Glück hin und wieder vor Augen zu führen. Zum Beispiel, bevor man einen wütenden Facebook-Kommentar schreibt. Oder etwas anzündet.
Ich wünsche euch einen schönen Tag!
Der Text stammt von Ralph Ruthe, einem Komiker und Cartoonisten. Hier könnt ihr seine Facebook-Seite besuchen, der ich diesen Text entnommen habe.
Verrückt, was nicht alles geht und in wie vielen Teilen dieser Welt das eben nicht so ist (und vor allem, wie damit umgegangen wird). Verrückte Karotte eben, diese Welt.
Liebe Grüße,
Antonia
Ja.
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