(SEEEHR LESENSWERT!)
Hallo meine Lieben!
Ja, ich komme tatsächlich wieder einmal zum Schreiben. Wie gesagt: Halbjahrestechnisch geht es glücklicherweise jetzt langsam aber sicher auf's Ende zu und ich habe den Kopf wieder frei für Themen, die mir eigentlich auf dem Herzen liegen (und die ich gern mit euch teilen will).
Der Blogeintrag ist wieder mal so eine spontane Sache, die sich aus einer Artikelempfehlung ergibt: Vor einigen Tagen hat mir jemand, der weiß, dass mich das Thema Inklusion interessiert, einen Artikel geschickt, der mich "interessieren könnte" - und tatsächlich. Das tut er. (hier ist er noch mal)
Ich habe eine ganze Weile nach dem richtigen Anfang zu diesem Thema gesucht und da ich ihn in diesem Artikel gefunden habe, kann ich nun endlich über eine Sache schreiben, die mir schon seit einer längeren Zeit am Herzen liegt und in Angesicht der aktuellen Diskussionslage mehr als heftig unter den Fingern brennt: Inklusion.
(dieses Schaubild stellt, meiner Meinung nach, ziemlich treffend dar, was Inklusion von Integration unterscheidet)
Wer sich in den letzten Monaten, in denen die Diskussion über Inklusion bereits tobt (natürlich tut sie das schon länger, aber bis vor ein paar Monaten, hätte ich "tobt" als Verb nicht benutzt, sondern eher "plätschert" oder "vor sich hin tümpelt"), mit den deutschen Printmedien in Berührung gekommen ist, ist dank BILD, Spiegel und Co. sicher mehr als gut überschüttet worden.
Auch ich habe mehr als genug zu diesem Thema gelesen und muss ehrlich sagen, dass ich teilweise so erschüttert war, dass ich meinen Glauben an die Menschheit noch ein bisschen mehr verloren habe. Normalerweise bin ich nicht persönlich von irgendwelchem schlecht geschriebenen Schnaps-Journalismus ohne Recherche angegriffen, aber dieses Thema geht mir persönlich auf den Magen. Mein großer Bruder ist körperlich behindert, sitzt im Rollstuhl und ist geistig vollkommen auf der Höhe: Er hat sein Abitur gemacht, studiert und ist seit einigen Jahren Chef seiner eigenen Firma. Ich weiß, was es für Durchsetzungskraft meiner Eltern gebraucht hat, ihn an ein normales Gymnasium zu bringen, an das er zweifellos auch gehört hat. Ich weiß, wie schwierig es war und wie gut es letztendlich, als er dann auf der Schule war, gelaufen ist. Er wurde nicht gemobbt, er hat noch eine Menge Freunde aus seiner Schulzeit und eine Menge Leute haben für dieses Thema die Augen aufgemacht, wurden dafür sensibilisiert und haben von der positiv verlaufenden Inklusion meines Bruders profitiert.
Und deshalb macht es mich krank, Dinge wie "Inklusion schadet allen!" oder "Inklusion ist nicht möglich!" oder "Diese Kinder machen den Unterricht für unsere Kinder schlechter und deshalb wollen wir sie nicht in der Klasse haben." zu lesen. Es. Macht. Mich. Krank. Richtig, ehrlich krank. Aber ein schlechter Journalist hin oder her, gut, kann passieren (sollte es nicht), aber okay. Ist eben doch noch ein Schmierblatt. Kann man drüber wegschauen. Was wirklich beunruhigend ist, sind die Kommentare: Man klicke auf einen beliebigen Artikel oder ein Video über Inklusion, gehe runter zu den Kommentaren, liest und bekommt Antworten auf die Fragen, warum die CDU immer noch bei allen Wahlen 40% holt, die BILD immer noch zwei Millionen Leser hat und Schwule immer noch keine Kinder adoptieren dürfen. Wenn man die Abgründe unserer Gesellschaft sehen möchte, muss man keine Nachrichten einschalten, sondern einfach auf SPIEGELonline gehen und Kommentare durchlesen. So. Jetzt ist es raus.
Und eine Frage bleibt: Wer hat den ganzen wichtigtuerischen, möchtegernintellektuellen, rechtschreiberesistenten Rentnern die Benutzung des Internets beigebracht? Was? Das sind nicht alles Rentner? Diesen Menschen werde ich in zwanzig Jahren die Rente bezahlen? Ja. So sieht's aus. Jede Generation hat ihre Idioten und sie machen mich - altersunabhängig - immer wieder fertig.
Aber um auf den Punkt zurückzukommen: Inklusion bringt natürlich Schwierigkeiten, die man überwinden muss. Natürlich kostet die Betreuung eines behinderten Kindes mehr Geld. Natürlich müssen Rampen gebaut werden oder Fahrstühle oder oder oder. Aber Behinderung gibt es nicht erst seit den letzten fünf Jahren und wenn der "Sozialstaat" Deutschland das bis jetzt - im 21. Jahrhundert - noch nicht hinbekommen hat, dann sollte so etwas keine Diskussion, sondern einfach nur eine flächendeckende Dauerscham in der Bevölkerung auslösen! Und mal ganz davon abgesehen, was es kostet, Schulen 'behindertentauglich' zu machen: Was kostet es denn den Staat ein Leben lang Zuschüsse an Menschen zu zahlen, die keine Ausbildung gemacht, geschweige denn studiert haben, weil sie als geistig nicht auf der Höhe abgestempelt werden, weil sie nicht hören können oder nicht laufen? Das ist doch mal eine Frage, oder?
Wir leben mitten im Zeitalter der Globalisierung, in der große Probleme auf uns zugerollt kommen, die große Köpfe brauchen, um sie zu lösen. Und gerade da ist es ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt, Menschen abzuschreiben und an Bildung zu sparen. Wir brauchen jeden einzelnen klugen Kopf, jeden einzelnen gut ausgebildeten Menschen. Nicht jeder wird ein Kant oder ein Einstein, aber gleich von Anfang an, Menschen die Chance auf das Streben nach mehr zu verbauen, ist auch keine Lösung.
Alle sehen die Probleme und den eigenen Schaden, keiner das Voneinander-Lernen, den Vorteil, das Streben, das Chancen geben und zusammen große Ziele verfolgen.
Alle sehen behindert und schmeißen in einen Topf, alle sehen "Rollstuhlfahrer" und denken "Nicht zu großen Schritten fähig", alle sehen "blind" und denken "Können nicht sehen", alle sehen gehörlos und denken "Ohne laute Stimme und Gedanken" Hört auf in Töpfe zu schmeißen und zu sehen, statt zu reden.
Wir müssen keine Sonderstellung geben oder zusammenfahren, wenn jemand feststellt, dass ein anderer "behindert" ist - das ist kein Wort und auch nicht ansteckend! Inklusion ist ein Schritt in Richtung Gleichstellung und Gemeinschaft. Und wenn wir aufhören uns durch gegenseitige Ausgrenzung, Probleme zu schaffen, können wir uns auf die konzentrieren, die außerhalb unseres Kopfes tatsächlich vorhanden sind.
Liebe Grüße,
Antonia
Wundervoller Blogpost <3
AntwortenLöschenIch verstehe das so gut und finde, man sollte endlich akzeptieren, dass es Menschen gibt die anders sind. Da meine Schwester und meine Mutter behindert sind kann ich sehr gut sehen, wie weit weg wir sogar noch von Integration sind. Man muss sich nur mal die Klasse meiner Schwester ansehen (sie geht auf eine integrative Schule!). Ich finde es schlimm, wie man angestarrt wird, wenn man bloß mal einkaufen geht oder so.
Hallo :)
Löschenmir liegt das Thema ja auch aus persönlichen Gründen sehr am Herzen, weshalb ich mich praktisch regelmäßig über den Umgang verschiedener Medien damit aufregen könnte, aber - das hast du ja auch angedeutet - ist es nicht mal das größte Problem, wie über Inklusion von Zeitungen und Co. geurteilt wird, sondern wie sich das auch ins Unterbewusstsein der Menschen schleicht. Das Starren ist da das beste Beispiel. Wie ein Zootier, als wäre man eine andere Sorte Mensch. Ich wünsche mir von Herzen, dass das irgendwann aufhört.
Liebe Grüße