9/14/2016

[Classic Confessions - No. 16] "Brauchen wir Klassiker in der Schule?"



Ich melde mich heute mal ein bisschen später mit den wöchentlichen Classic Confessions zurück. Verzeiht, dass der Beitrag erst nach dem Sandmann gekommen ist, aber Mittwoch ist mein langer Uni-Tag und der freie Vormittag wurde einfach rotzfrech von meiner Academic Skills-Vorbereitung geschluckt. Kann man das fassen? Kann man das fassen? Ja. Leider schon. Bei uns hängt nun immer öfter das Wort "Examen" in der Luft und ich werde jetzt schon ganz nervös. Examen? Welche Examen? Oh, die Mitte Oktober. Jahahahaa. Nein. Bitte nicht. Ernsthaft. Heute stand wieder Textanalyse in Academic Skills auf dem Plan und das lief schon wesentlich besser als beim letzten Mal, aber das reicht uns noch nicht! Und deshalb werden demnächst Paper analysiert als gäbe es keinen Morgen. Ich hätte nämlich gern, dass das erste Examen läuft und nicht kriecht, wenn ihr versteht, was ich meine.

Jedenfalls versuche ich momentan neben meinem normalen Uni-Ausarbeitungsstoff Kapitelzusammenfassungen zu erstellen, die ich vor allem für Research Methods und General Introduction to Psychology brauche (und auch ein bisschen für Psychology in Action - aber da geht's noch) und deshalb sitze ich bei Gilmore Girls immer noch irgendwo in der zweiten Staffel fest. Aber der Blog läuft und geschrieben wird auch. Also alles tutti, soweit.

Musste eben übrigens meine Einleitung kurz unterbrechen - weshalb es jetzt noch eine Dreiviertel Stunde später ist als ich eigentlich angefangen habe, weil ich mein erstes WG-Meeting hatte und jetzt erst mal der Saubermach-Plan verteilt wurde. Ratet mal, wer diese Woche Küchendienst hat - ganz genau. Ich hier. Jetzt sitze ich jedenfalls wieder mit meinem frisch aufgebrühtem Pfefferminztee auf dem Bett und tippe was das Zeug hält, weil noch ein bisschen Rechnen für Research Methods auf mich wartet... Hach, das Unileben. Deshalb: Nicht mehr länger verzagen und gleich drauf los. Die heutige Classic Confession, da ist sie:


Brauchen wir Klassiker in der Schule?


Das ist sicher eine Frage, die gerade in der breiten Mitte der Gesellschaft durchaus polarisieren kann und die manchmal auch direkt im Deutschunterricht behandelt wird (bei uns damals auch - übrigens). Da mich aber diese Frage und vor allem eure Antworten (und vielleicht auch eine kleine Diskussion? Na? Naaaa?) ziemlich interessiert, kann ich sie mir auch bei den Classic Confessions nicht sparen.

Also. Es ist die altbekannte Frage: Brauchen wir die alten Schinken der Weltliteratur tatsächlich im Deutschunterricht oder kann man Goethe und Schiller auch mit John Green und J.K. Rowling ersetzen? Ich möchte - sollte man an dieser Stelle vielleicht erwähnen - übrigens definitiv nicht allen Schülern eine Literatur- oder Klassikerverdrossenheit unterstellen - wirklich nicht, dann müsste ich mich als ehemaligen Schüler ja auch mit einkringeln und das wäre schon ganz schön dreist gelogen. Klar, manche würden wahrscheinlich spontan lieber auf alles, was nur mit dem Wort "Lesen" zusammenhängt verzichten und lieber - keine Ahnung - lernen, wie man Bafög-Anträge ausfüllt, aber es gibt - ich erwähne es noch mal - auch viele großartige Ausnahmen, die Lesestoff (Klassiker oder nicht) wesentlich aufgeschlossener gegenüberstehen.

Die Sache ist nun die. Ich war ein Schüler, der immer sehr viel Spaß an Klassikern (oh, wer hätte es gedacht?) und in der Oberstufe auch unheimlich viel Glück mit der Deutschlehrerin hatte. Weshalb ich da natürlich auch ein bisschen vorbelastet herangehe. Ich persönlich halte es aber nicht nur für angenehm und spannend Klassiker zu lesen und dann literarisch zu analysieren (wirklich, das fehlt mir aus der Oberstufe wahrscheinlich so am meisten), ich halte sie auch für wichtig. Nicht, weil sie uns Dinge beibringen können - das können viele "moderne" Bücher auch, sondern weil sie an sich einfach etwas sind, mit dem man sich beschäftigen sollte. Wir leben in einer Zeit, in der Bildung immer praktischer und immer effizienter werden muss und ich stehe dieser Tendenz wirklich kritisch gegenüber. Man schreit immer nach dem Lernen vom Formular-Ausfüllen in der Oberstufe statt Algebra und dem Aufbau der Zelle und - na ja - eben auch Klassikern und alle nicken und finden das total super. Leute, ich finde das persönlich nicht total super. Dieses ganze "Die Schule bereitet mich nicht auf's Leben vor"-mimimi-Rumgeheule geht mir wirklich auf den Sender. Niemand kann einen auf's Leben vorbereiten. Beim Leben geht es nicht darum, vorbereitet zu werden, sondern sich flexibel drauf einstellen zu können. Alle wollen immer einen Plan, aber bloß alle Freiheiten. Das ist ein grundfalsches Denken und ich finde es wirklich nervtötend. Wenn alle Studienanfänger bei ihren Bafög-Anträgen verzweifeln, ist das kein Problem, das die Schule künftig gefällig lösen sollte, sondern das verdammte Bafög-Amt. Ernsthaft, ich will mein Studium finanzieren, kein mexikanisches Drogenkartell aufbauen - so schwer kann das doch nicht sein, wie man es macht.

Warum ich eben so in diese Thema "Schule allgemein" ausgeschwenkt bin, hat damit zutun, dass dieses langsam aber sicher verloren gehende "Lernen um des Lernens willen"-Konzept, das immer mehr von Produktivität und Effizienz verdrängt wird, besonders bei Klassikern/keine Klassiker eine Rolle spielt. Ich finde, manche Bücher sollte man einfach lesen, weil man eine generelle Schulbildung genießt. Klar, wir müssen mit Faust II nicht schon in der 6. Klasse anfangen, aber es schadet absolut nicht, sich mal mit diesem großen, komplizierten, hochanspruchsvollen Werk beschäftigt zu haben. Ist es anspruchsvoll? Klar. Ist ja auch Faust II. Muss man deshalb Angst davor haben? Nein. Und darum geht es eigentlich. Die Reaktion meines Kurses als ich nebenbei erwähnt habe, dass ich am Wochenende Hamlet gelesen habe, weil mir der Filmausschnitt, den wir uns angesehen haben, so gut gefallen hat, hat mich damals so schockiert - das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Gut, ich war sowieso immer der Deutsch-Nerd. Aber davon abgesehen war da irgendwie schon ein bisschen die Stimmung, als hätte ich etwas Übermenschliches geschafft. Und mal ganz ehrlich. Hamlet. Macht euch nicht ins Hemd. Das ist nun weiß Gott nichts, wo auf halber Strecke spontan der Kopf implodieren muss. Aber wenn man sich nie damit beschäftigt hat, wenn man nie zumindest Ausschnitte aus Werken gelesen hat, die literarisch schwer zu verstehen sind, dann hat man viel mehr Tendenz dazu sein Leben lang Angst vor komplizierten Texten zu haben. Und das betrifft nicht nur, wenn der ehemalige Schüler plötzlich seine spontane Liebe zu Marcel Proust entdecken will sondern auch, wenn man sich mal überheblichen Behördenbriefen gegenübersieht. Beamtendeutsch, ach ja. Aber wer sich durch Antigone gekämpft hat weiß, er hat schon ganz andere Dinge geschafft.

Ich finde es vollkommen okay und sogar sehr begrüßenswert, moderne Bücher zu lesen. Vielleicht nicht unbedingt Die wilden Hühner - das kann jeder für sich Zuhause in seiner Freizeit machen - aber es gibt wirklich Literatur, von der ich mir gewünscht hätte, mehr Leute wüssten von ihr. Zum Beispiel die Biografie von Malala Yousafzai, die ich jedem nur aus tiefster Seele ans Herz legen kann. Aber solche Bücher gehören auch irgendwie in den Philosophie-, Sozialkunde- oder Geschichtsunterricht. Fächer, in denen eigentlich nie gelesen wird - was ebenfalls ein Fehler ist. Deutsch kann und sollte nicht alles abdecken. Und wenn es dass dann übergreifend auf die Nazi-Zeit doch mal versucht, müssen sich alle durch Als Hitler das rosa Kaninchen stahl quälen. Ich habe das Buch nie gelesen, aber die Parallelklasse und die waren alle nicht wirklich begeistert. Wäre mit Die Bücherdiebin nicht passiert. Ich sag's ja nur. Aber da sind eigentlich auch nicht die Deutschlehrer (oder zumindest nicht nur die Deutschlehrer) gefragt, sondern auch die Bildungsministerien, die immer mehr kürzen und kürzen, dass man am Ende gar keine Zeit mehr hat, sich überhaupt ordentlich mit Dingen auseinanderzusetzen, die das eigentlich bitter nötig haben.

Aber um noch einmal auf die Klassiker zu kommen: Bildung um der Bildung willen. Fand ich Faust toll? Nicht wirklich. Wie viel hat mir Bahnwärter Thiel für mein Leben mitgegeben? Ein bisschen, aber wir wollen es mal nicht übertreiben. Es gibt immer Bücher, die einen mehr bewegen, und viele sind - klar - auch erst in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. Aber das ist nun mal Schule und Bildung und eben nicht Freizeitlektüre. In den ersten Jahren sollte es zwar noch die Aufgabe von Schulen sein, die Kinder zum Lesen zu bringen, aber später, wenn es auf den Abschluss zugeht, sollte man eben auch irgendwo Angst vor Klassikern nehmen. Hört endlich auf, alles mit praktischen Antworten fürs spätere Leben rechtfertigen zu wollen - von Matheaufgaben bis zur Leseliste - es nervt. Das ist doch gerade das Schöne an der Schulzeit, das ganze Praktische holt euch noch früh genug ein. Und in der Zwischenzeit sollte man ein bisschen Berührungsängste zu Themen abbauen, andere Zeiten und andere Perspektiven kennenlernen und manchmal auch einfach nur lernen ein Urteil über Dinge zu bilden. Man muss nicht alle Klassiker gern gelesen haben, man muss am Ende nur sagen können wieso und nicht einfach nur in Unverständnis stagnieren. Das macht Menschen angreifbar und zieht in gewisser Weise auch gesellschaftliche Grenzen. Klar, niemand wird ausgegrenzt, weil er Antigone nicht verstanden hat, aber ich glaube fest daran, dass es am Ende immer noch Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gibt, wenn man es tut. Und das ist wichtig.

Natürlich lässt sich diese Frage nicht einfach an einem Mittwoch Abend in einer Stunde beantworten und sie ist viel komplexer und lädt wirklich zu einem offenen Gespräch ein. Es gibt viele Sichtweisen, die man auf Bildung und Schule haben kann und ich würde zu diesem Thema gern eure hören. Also, macht mit. Ich freue mich sehr auf eure Beiträge.

Liebe Grüße,
Antonia



Über die Aktion


Die Aktion geht ein Jahr lang (bzw. 53 Wochen) und für jede Frage, die ihr mit einem eigen Post beantwortet und unter dem Ursprungspost auf meinem Blog verlinkt, wandert euer Name ein Mal in den Lostopf. Am Ende der 53 Wochen könnt ihr also 53 Mal in meinem Lostopf sein (oder 12 Mal, wenn ihr nur 12 Fragen beantwortet habt etc. pp.) und habt eine Chance darauf, im Juni 2017 ein fettes Bücherpaket zu gewinnen. Und mit fett meine ich fett. Lasst euch überraschen - aber seid sicher, dass für jeden etwas dabei ist.

- jeden Mittwoch poste ich eine Classic-Confessions-Frage
- diese müsst ihr in einem eigenen Post beantworten und meinen Blog darin verlinken
- dann müsst ihr die URL als Link unter meinem Post teilen
- fertig, euer Name ist in den Lostopf gewandert!

Ihr habt bis zum folgenden Dienstag 23:59 Uhr Zeit, die wöchentliche Frage zu beantworten. Danach seid ihr natürlich immer noch gern dazu eingeladen, könnt aber nicht mehr verlinken und werdet nicht mehr gezählt.

Solltet ihr mal eine Woche ausgesetzt haben, ist das nicht schlimm. Ihr wandert so oft in den Lostopf, wie ihr teilgenommen habt - durch regelmäßiges Teilnehmen erhöht sich lediglich eure Chance auf den Gewinn.

Das Banner darf natürlich gern kopiert werden :)


Die komplette Vorstellung findet ihr hier und weitere Fragen beantworte ich natürlich gern in den Kommentaren.


Die Teilnehmer


Kommet und sehet und staunet und gehet, aber lasst bitte euren Kommentar und euren Link mit Fragenbeantwortung da um in den Lostopf zu wandern und euren Blog mit der Anwesenheit dieser unkultiviert kultivierten Blogaktion zu bereichern.
3. Jacquy
4. Alina

Too late, but still awesome:

5. Lumina

8 Kommentare:

  1. Ich hab nur relativ wenig Zeit und lass deshalb nur schnell den Link zu meinem Beitrag da. Aber eine interessante Frage.
    http://skylifeswelten.blogspot.de/2016/09/classic-confessions-no-16-brauchen-wir.html

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Huhu :)

      Dein Beitrag ist echt schön geworden, hab mich sehr gefreut, dass du wieder dabei warst. (Und lass dich zwischenzeitlich nicht allzu sehr vom Chemie-Vorkurs stressen :D)

      Alles Liebe,
      Antonia

      Löschen
  2. Huhu!

    Ganz ehrlich, ich würde dir gerne appaudieren. Ich kann dir nur absolut zustimmen, nur sagst du das alles viel prägnanter und schöner, als ich das könnte.

    Ich habe große Teile deines Beitrags meinem Mann vorgelesen, der Realschul-Lehrer ist. Zwar nicht Deutsch, sondern Mathe, Physik, Chemie aber er stimmt dir trotzdem auch absolut zu,

    Mein Beitrag für diese Woche ist deutlich kürzer ausgefallen:
    http://mikkaliest.blogspot.de/2016/09/classic-confessions-brauchen-wir.html

    LG,
    Mikka

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Huhu :)

      Ich antworte erst jetzt, aber dein Kommentar hat mir gestern schon ein bisschen den Tag versüßt. Es freut mich, dass dir und deinem Mann die Antwort so gut gefallen hat und sie ins Schwarze gegangen ist :)

      Liebst,
      Antonia

      Löschen
  3. Mit meiner üblichen Verspätung habe ich es heute mal wieder geschafft: http://jacquysthoughts.blogspot.com/2016/09/classic-confessions-16-brauchen-wir.html
    Ganz ehrlich: Ich hab deinen Post Mittwoch gelesen und das ist so ein Roman, dass ich jetzt nicht mehr in der Lage bin, das genau zu kommentieren. Aber so viel: Das analysieren mochte ich auch und vermisse es total und bin generell auch dafür, dass Klassiker (oder gerne auch aktuellere Bücher) gelesen werden sollten. :D

    Liebe Grüße!

    AntwortenLöschen
  4. Ja, das ist eine polarisierende Frage die da gestellt wird.

    Klassiker im Schulunterricht?
    Lesen in der Schule ist für die meisten ein Zwang, und die dann noch zu zwingen etwas zu Lesen zu dem sie aufgrund fehlender Lebenserfahrung gar keine Verbindung zu ihrem eigenen Erleben herstellen können halte ich für keine gute Idee.
    Ich halte es da mit dem Spruch das sich Bücher ihre Leser aussuchen. :)

    Zugegeben, ich hätte mich gefreut in der Schule "Hamlet" Lesen zu dürfen, oder besser noch "König Lear" (hätte sich in meiner Zeit auch mehr angeboten da Akira Kurosawa in seinem "Ran" das Thema zu jener Zeit gerade großartig auf der Leinwand interpretiert hatte), wäre dafür aber von meinen Mitschülern wohl endgültig gelyncht worden.
    Und in meinen kreuzzüglerrischeren windmühlenanritts Momenten neige dazu dafür zu Plädieren das man sich in der Schule mit so quasi schon Klassikern wie dem feministischen "The Handmaids Tale" auseinandersetzt, weil ich das Thema Frauenrechte und deren schleichende Unterwanderung (beziehungsweise deren schlichte Nichtexistenz in immer noch jüngerer Vergangenheit) ein bleibend brisantes Thema finde.

    Aber wichtiger ist es eben zuvorderst junge Menschen dazu zu animieren überhaupt zu Lesen, sich überhaupt darauf einzulassen das Leben aus anderen Warten, wenn nicht zu erleben, so zumindest sich zu erlesen. Der Punkt Literatur zu Anlysieren... ich bin mir nicht ganz sicher was darunter zu verstehen ist und bin mir auch nicht so ganz sicher ob so etwas außerhalb von Literaturwissenschaft viel Sinn gibt.
    Textdiskussion ist, denke ich, jungen Menschen wichtiger als Textanalyse.

    AntwortenLöschen
  5. Hey Antonia,

    Mit etwas Verspätung bin ich diese Woche auch mal wieder dabei - mit einer eher utopisch-rosa-Wölkchen-Antwort! Im Großen und Ganzen stimme ich deiner Antwort völlig zu, aber wenn unsereins im Kultusministerium säße ... oh, was sähe diese Schule anders aus! :-)

    Meine Antwort findest du hier:
    http://alinaschreibt.blogspot.de/2016/09/classic-confessions-klassiker-in-der.html

    Liebe Grüße,
    Alina

    AntwortenLöschen
  6. Ich bin so in Verspätung D: HIER mein Beitrag für die letzte Woche XD

    AntwortenLöschen

Danke, dass ihr durch eure Kommentare aktiv zum Training von Antonias Sprunggelenken beitragt. Sollte sie nach eurem Kommentar länger nichts posten, liegt es nahe, dass sie sich beim Rückwärts-Flick-Flack nach dem Entdecken einen Wirbel ausgerenkt hat.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...